Erlernte Hilflosigkeit als Ursache für Depressionen

Erlernte Hilflosigkeit

Das Erklärungsmodell der erlernten Hilflosigkeit wurde erstmals 1967 von dem amerikanischen Psychologen Martin E.P. Seligman geprägt, und dient heute als Erklärungsansatz für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Depressionen. Etliche Therapieverfahren sind mittlerweile darauf aufgebaut.

Seligmans Theorie der erlernten Hilflosigkeit basiert auf einer Reihe von Tierexperimenten, deren Ergebnisse anschließend auf den Menschen übertragen wurden.

Laut Seligman erleben sich Menschen mit erlernter Hilflosigkeit meist als Opfer ihrer Umstände. Sie fühlen sich hilflos und glauben nichts dazu beitragen zu können, damit sich ihre Situation verändert. Anstatt nach einer Lösung oder Alternativen zu suchen, rutschen sie in die Resignation ab, werden meist apathisch und depressiv.

Seiner Meinung nach, ist das Gefühl des Kontrollverlusts und der Hilflosigkeit nicht nur eine Begleiterscheinung einiger psychischer Erkrankungen, insbesondere Depressionen, sondern vielmehr die Ursache dafür.

Definition erlernte Hilflosigkeit

Unter einer erlernten Hilflosigkeit versteht man ein tief verankertes Gefühl der Hilflosigkeit verbunden mit der Überzeugung (Glaubenssatz) – nichts ändern zu können, machtlos zu sein. Diese Überzeugung, wird gleich wie, bei den meisten unserer Kompetenzen, im Laufe der Zeit durch Erfahrungen entwickelt. In diesem Fall durch eine schwierige Situation, die man tatsächlich nicht ändern bzw. kontrollieren konnte.

Beispiele

  • Mobbing
  • Gewalt
  • Missbrauch
  • Verlust
  • Unfall
  • Behinderung
  • Naturkatastrophen
  • Etc.

Oft lernen wir das Gefühl der Hilflosigkeit jedoch bereits in unserer frühen Kindheit kennen. Babys oder auch Kleinkinder sind noch sehr hilflos und deshalb auf ihre Bezugsperson angewiesen. Da reicht oft schon eine Trennung von der Mutter aus, um ein traumatisches Erlebnis zu bewirken.

Aber auch Eltern mit psychischen Belastungen/Störungen, wie Narzisstischen Eltern etwa, benutzen ihre Kinder gerne unbewusst für ihre eigenen Zwecke – nämlich um ihre eigenen Bedürfnisse zu stillen, und kümmern sich in Folge nicht ausreichend um sie.

Symptome einer erlernten Hilflosigkeit:

Seligman hält vier Störungen im Verhalten der Betroffenen für typisch.

Die motivationale Störung:

  • Lethargie
  • verminderte Leistungsbereitschaft
  • anhaltende Antriebslosigkeit
  • fehlende Selbstwirksamkeit und Initiative

Die kognitive Störung:

  • eingeschränkte Lernprozesse

Die emotionale Störung:

  • Angst
  • Apathie
  • Stress
  • Hoffnungslosigkeit

Der Selbstwertverlust:

In den meisten Fällen glauben Betroffene, dass sie selbst verantwortlich sind für ihr Leid. Sie werden geplagt von Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen. Sie sehen sich selbst, als schwächer, als sie wirklich sind, und trauen sich weniger zu, als sie tatsächlich imstande sind zu leisten. Sie schaffen es nicht selbst Entscheidungen zu treffen und warten solange bis Das Leben für sie die Entscheidung getroffen hat. Begleitet von Gedanken, wie:

  • Ich bin es nicht wert.
  • Ich werde im Stich gelassen.
  • Ich bin zu schwach.
  • Ich kann es nicht ändern.
  • (Egal, was ich mache) – Ich schaffe es nicht.

Diese Gedanken lösen wiederum ein angeeignetes Verhaltensmuster aus, welches wiederum die Gedanken bestätigt. Im Laufe der Zeit festigen sich die Gedanken zu immer tiefersitzenderen Glaubenssätzen, die über unser Leben bestimmen. Willkommen im Teufelskreis der selbsterfüllenden Prophezeiung.

Warum  nahe - liegende Lösungen oft übersehen werden.   

Herangezüchtete Gewohnheiten sind schwer zu ändern. Speziell unsere erworbenen Ängste sind fortwährend wirksam und festigen sich in Kombination mit daraus entstehenden Verhaltensmustern, die wir im Laufe der Zeit durch Erfahrungen entwickeln. Wie z.B. Vermeidungsstrategien.

Eine Situation oder Aufgabe zu vermeiden, vor der wir Angst haben, löst nämlich erstmal ein positives Gefühl in uns aus – Erleichterung. Das Vermeidungsverhalten wird dann gemeinsam mit dem positiven Gefühl, durch neuronale Verankerung, gefestigt, sodass unser Unterbewusstsein in ähnlichen Situationen darauf zurückgreifen kann. Das bedeutet, dass in ähnlichen Situationen, ohne zu überlegen, automatisch das gleiche Verhaltensmuster/Vermeidungsstrategie wieder aktiv wird.

Langfristig kann das jedoch zu enormen Einschränkungen im Leben führen, und hohen Leidensdruck auslösen. Situationen werden dann oft irrtümlicher Weise als – nicht änderbar – empfunden, und man hängt schnell in einer Opferrolle fest, aus der es keinen Ausweg zu geben, scheint.

Experiment mit Hunden

Experiment mit Menschen

Erlernte Hilflosigkeit beim Menschen nachzuweisen, zeigte sich als sehr schwierig. Als einem der ersten gelang dies Hiroto, einem Mitarbeiter Seligmans 1974. Er wählte einen Versuchsplan, der dem des Tierversuchs von Seligman sehr ähnlich war:

Er teilte die Versuchspersonen, allesamt Studenten, in drei Gruppen ein, von denen zwei an einem Vorversuch teilnahmen, bei dem sie unangenehmen Geräuschen ausgesetzt waren.

Die Versuchspersonen in der ersten Gruppe hatten die Möglichkeit, das unangenehme Geräusch per Knopfdruck abzustellen, für die in der zweiten war der unangenehme Ton unvermeidbar und unkontrollierbar, da er unabhängig vom Knopfdruck ein- und aussetzte.

In der zweiten Versuchsphase, die die erlernte Hilflosigkeit testen sollte, konnten alle Versuchspersonen das unangenehme Geräusch, das zuvor durch ein Lichtsignal angekündigt worden war, vermeiden, indem sie einen Knopf noch während des Lichtsignals abwechselnd nach rechts oder links drehten.

Das Ergebnis war eindeutig und entsprach den Tierversuchen: Die Versuchspersonen der ersten sowie die der Kontrollgruppe hatten schnell gelernt, den aversiven Reiz zu vermeiden.

Die Studenten, die im Vorversuch jedoch die Erfahrung der Unkontrollierbarkeit gemacht hatten, brauchten wesentlich länger als die anderen, um den Lärm abzustellen, außerdem kamen sie nicht auf die Lösung, das Geräusch schon aufgrund des Vorsignals zu vermeiden.

Die Hilflosigkeit, die im Vorversuch erlernt worden war, wurde also auf die aversive, aber kontrollierbare Situation im zweiten Versuchsabschnitt übertragen.

Daß unkontrollierbare Vorerfahrungen das Auftreten von Hilflosigkeit fördern, war aus Seligmans Tierversuchen bekannt.

Umgang mit erlernter Hilflosigkeit

Gefühle/Anteile kann man zwar nicht einfach wegzaubern, aber wir können sehr wohl lernen damit umzugehen!

Ausschlaggebend dabei ist allerdings nicht die Wahrnehmung der scheinbar unkontrollierbaren Situation, sondern die Wahrnehmung von sich selbst in dieser Situation.

Und natürlich gehört auch etwas Mut dazu, einfach mal was auszuprobieren  bzw. nach Alternativen zu suchen 😉

Fazit:

Ein depressiver Mensch ist also irrtümlicher Weise überzeugt davon, dass er selbst nichts dazu beitragen kann, um seine Situation zu verbessern. Er fühlt sich hilflos und versucht gar nicht erst etwas zu verändern! Daraus entsteht ein Teufelskreis. Denn wer nicht an sich selbst glaubt, und sich selbst nichts zutraut, kann auch nicht die Erfahrung machen sein Leben selbst beeinflussen zu können.

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